Kaiser Stanescu, Ivesti, geb. 6. 1. 2921

Kaiser Stanescu, Ivesti, geb. 6. 1. 1921

Wir waren in einem Lager, aus dem wir nicht weg durften. Ein rumänischer Offizier hat unsere Taschen kontrolliert und alles mitgenommen: Geld, Gold, alles, was die Leute in der Tasche hatten.

Hat man Ihnen Gründe für die Deportation genannt?
Wen hätten wir fragen sollen? Wir konnten mit niemanden darüber sprechen. Es gab so ein Wort: Ihr geht zum Bug. Dort bekommt Ihr Mais und Pflüge. Das war so ein Sprichwort. Am Anfang, als wir dahin gebracht wurden, da haben wir solche Gräben gesehen und in den Gräben lagen Juden – Frauen und Kinder, und dann sind Soldaten gekommen und haben die Juden erschossen.

Wann war das?
Das war 1942, im Juni! Wir haben gewusst, dass wir dort hin gebracht wurden, um getötet zu werden. Das hatten Antonescu und Hitler beschlossen. Während der Offizier unsere Taschen kontrollierte, warteten die anderen schon auf uns,  um uns zu erschießen. Und der Offizier sagte: “Jetzt noch 5 Minuten, dann werden sie unter die Erde gebracht und dann vermischen wir Euch mit dem Staub. Und da kam plötzlich ein Mann angeritten, auf einem schwarzen Pferd, und er hatte ein Taschentuch in der Hand, und sie haben uns nicht erschossen. Dann, am 1.Dezember, haben Soldaten 500 Hütten in die Erde getrieben, am Bug. Die Hütten hatten keine Fenster, keine Türen und keine Öfen. Mitten in der Nacht hat es dann angefangen zu schneien und zu regnen, es fing ein Schneesturm an. Zwei oder drei Familien sind in einer Hütte untergekommen. Der Schneesturm hat drei Tage und drei Nächte gedauert. Die Leute, die nicht in einer Hütte untergekommen waren, sind dort erfroren.
In dieser Zeit allein, ganz am Anfang, sind 1500 Menschen gestorben, Sie sind einfach erfroren. Es gab keine Heizung, keine Wärme und die Leute hatten wenig zum Anziehen. Einige sind im Sommer deportiert worden und sie haben keine warmen Sachen gehabt. Sie waren nur im Hemd und hatten keine Kleider mehr. Dort im Rathaus, wo viele Zigeuner waren, sind jede Nacht zwei oder drei gestorben.
Sie wurden einfach aus dem Fenster geworfen. Die Toten wurden ausgezogen und immer aus dem Fenster geworfen und es gab nach einigen Tagen eine so große Menge Leichen. Als das Wetter etwas besser geworden ist, sind die Soldaten, aber auch die von der Gemeinde gekommen und haben ein großes Grab geschaufelt. Alle wurden zusammen und übereinander in das Loch geworfen. Zwei Kilometer sind wir täglich zum Bach gegangen. Da haben wir das Eis aufgeschlagen und das Wasser vom Bach genommen. Später haben wir uns in den Erdhütten eingerichtet. Wir haben da so ein Loch hineingegraben und einen Kamin gesetzt, und wir haben Feuer gemacht.

Was gab es damals in den Erdhütten zu Essen
Wir mussten einmal im Monat 10 Kilometer gehen, um Lebensmittel zu holen, und wir haben auch etwas Öl bekommen, Aber alles war sehr wenig.

Gab es dort Arbeit – wie sah der Tag aus?
Am Anfang haben wir Getreide zu den Bahnhöfen gebracht, dann haben wir Steine zurückgetragen. Und dann haben wir Zwangsarbeit in den Wäldern gemacht. In diesen Hütten sind wir bis Juni geblieben.
Dann haben uns die Russen mit einem Wagen in den Wald gebracht. Sie haben uns Sägen, Hämmer und andere Werkzeuge gebracht, damit wir die Bäume fällen. Aber die Leute kannten sich nicht damit aus, Bäume zu fällen. Die Bäume waren sehr dick, einen Meter breit. Ab und zu haben sie die Bäume in Gegenrichtungen gefällt und manchmal, wenn die Bäume fielen, dann wurden auch Leute erschlagen. Dort haben wir Hütten aus Laub gemacht. Das Laub haben wir über die Erde gelegt und uns auf den Winter vorbereitet. Wir bekamen 300 Gramm Mais, und Kartoffeln, pro Person und Tag. Und dann haben sie uns noch die Schalen von ausgepressten Sonnenblumenkernen zu essen gegeben. Ich musste 10 Kilometer zu Fuß gehen, um das Essen abzuholen. Es war sehr kalt. Wir haben die Lebensmittel auf dem Rücken getragen und bis wir „zu Hause“ waren, da waren die Kartoffeln schon gefroren.

Haben Sie auch deutsche Soldaten dort gesehen?
Einmal, da waren in einem Wagen neun Kinder. Und da sind zwei deutsche Soldaten gekommen und sie haben die Pferde von den Wagen genommen. Die Soldaten konnten ihre Waffen nicht alleine tragen und sie haben sie auf die Pferde gelegt. Und dann begannen die Kinder zu schreien. Die Soldaten haben daraufhin alle Kinder erschossen.
Ein Mann wollte sich auf am Straßenrand erholen und dann ist ein deutscher Soldat gekommen und hat ihn erschossen. Dann ist die Front näher gekommen. Die Soldaten waren weg und wir hatten schnell einen Wagen, ein Pferd. Wir haben uns versammelt, denn es kamen jetzt die Russen, und wir sind nach Rumänien gegangen. Wir wurden damals nicht mehr bewacht.
Nicht alle hatten Pferde und Wagen … viele sind zu Fuß gegangen. Und wenn sie zwei Kinder hatten, dann wurden sie in einen Sack gesteckt. Ein Kind im Sack auf dem Rücken das andere mit dem Sack in der Hand und so sind in der Kolonne gegangen. Wir hatten kein Essen auf dem Rückweg. Als wir in Tiraspol ankamen, hatten wir Angst, die Stadt zu betreten. Wir hatten davor Angst, auf Soldaten zu treffen. Dann hat wieder ein Schneesturm angefangen. Es hat zwei Tage gedauert und es sind 200 Zigeuner gestorben. Da haben wir gedacht, als wir in Bessarabien ankamen: Wir sind schon zu Hause. Aber als wir den Fluss Pruth überqueren wollten, da war der Übergang versperrt. Wir durften nicht weiter.
In einem Dorf in Bessarabien sind wir noch zwei Monate geblieben. Dort gab es Typhus, und es sind sehr viele Zigeuner an Krankheiten gestorben. Es war ein großes Elend.
Dann mussten wir 30 bis 50 Kilometer zurück, um zu arbeiten. Wir hatten Angst, dass wir wieder nach Transnistrien zurück müssen. Es war die Zeit der Ernte und wir mussten das Getreide ernten.
Und wir haben bereits in Bessarabien wieder mit unserem Handwerk begonnen, wir haben Eimer hergestellt. Wir haben viel gearbeitet und konnten uns Wagen und Pferde anschaffen.

War das Handwerk mit den Eimern auch das, was die Familie schon vor dem Krieg machte?
Ja, das war unser Gewerbe. Wir waren Handwerker. Wir haben große Schnapsbrenner hergestellt. Das machen wir auch jetzt noch. Wir sind zu 5000 hingegangen und es sind 3000 zurückgekommen.
Wir sind hingegangen wie Blumen und zurück kamen wir zu 3000 wie die Krähen.
Das haben Antenescu und Hitler angeordnet.

Waren Sie gemeinsam am Bug? Oder haben Sie sich später kennengelernt?
Ich wurde mit der ganzen Familie deportiert. Mit Vater, Eltern und anderen Kindern.

Wissen Sie noch, wie das ganze losging? Bekamen Sie einen Befehl? 
Ich habe vergessen, wer mich aufgegriffen hat. Die Gendarmen – ich erinnere mich nicht mehr. Aber wir waren alle dort. Mein Vater ist dort gestorben und die Mutter ist mit den Kindern zurückgekommen.

Wie kamen sie dort hin? Mit dem Pferd oder dem Zug? 
Wir haben einen Wagen mit Pferd gehabt.

Was ist damit passiert?
Die haben uns dort Hütten unter die Erde gemacht und wir wohnten dort nebeneinander. Es stand eine Hütte neben der anderen. Die Gemeinde hieß Tridubi.

Wie viele waren dort in einer Hütte?
Acht Personen.

Wie groß war die Hütte?
Ein wenig größer, als der Raum hier (der ca. 20 Quadratmeter misst). Die Betten waren aus Erde.

Das muss im Winter sehr kalt gewesen sein.
Es war ein Ofen dort, und wir brachten aus dem Wald Holz und haben im Ofen Feuer gemacht. Die Pferde kamen auch in unsere Hütte.

Wie viele?
Drei Pferde! Wir hatten kein Essen bekommen, und viele sind verhungert.

Und haben Sie es geschafft, dass alle drei Pferde durchkamen? 
Ich erinnere mich nicht, wie lange wir die Pferde behalten konnten, da die Pferde nur zur Nacht in die Hütte kamen.

Aber nach Rumänien zurücknehmen konnten Sie sie nicht?
Niemand hatte die Pferde mit zurückgenommen.

Mussten Sie dort arbeiten? Haben Sie Arbeit gefunden?
Mein Vater hat im Wald gearbeitet. Andere mussten Gemüse….

Ernten?
Nein, nicht ernten! Es waren dort Wachleute!

Was gab es dann zu Essen?
Ja, wir bekamen etwas Gemüse, wenn wir gearbeitet haben.

Und die, die nicht konnten?
Sie haben Kleidung verkauft. Und so bekamen auch sie ab und zu etwas. Oder sie arbeiteten ab und zu.

Wie lange waren Sie in diesem Erdloch?
Ich glaube, wir sind dort zwei Jahre geblieben.

Wie war so ein Tag in einem Lager?
Wir sind aufgestanden, haben ein wenig Feuer gemacht. Und ab und zu haben wir – es gibt so ein Kraut, wir haben es draußen gepflückt und haben eine Suppe daraus gekocht. Für die ganze Familie; das haben die Frauen gemacht.

Wie viele Leute haben in der Siedlung gelebt?  
Die Hütten waren so in einer Reihe und es waren so viele – ich kann mich nicht erinnern. Mehrere sind dort gestorben. Dort war sehr tiefer Schnee. Und wenn ein Pferd gestorben ist, dann haben wir es gegessen. Die Eltern haben für deutsche Soldaten gearbeitet. Solange wir noch die Pferde hatten. Dann haben wir gearbeitet für die Deutschen. Die deutschen Soldaten haben uns immer Essen gegeben. Als wir dann keine Pferde mehr hatten, haben sie gesagt: Ihr könnt zu Fuß nach Hause gehen.

Das war am Ende des Krieges? 
Ja, vielleicht. Ich weiß es nicht mehr.

(über den Rückweg nach Rumänien):
Die Toten lagen am Straßenrand, so wie Steine… so lagen die Leichen! Auf dem Rückweg, da haben wir die Kinder an die Hände genommen und sind zu Fuß gegangen. Da war der Schnee so tief. Und einige schafften nicht den Weg durch den Schnee und sie sind dort geblieben. Auch mein Vater ist dort gestorben.

Vor dem Krieg, haben Sie da im Haus gewohnt -oder in Zelten?
Das, was Wert hatte, waren der Wagen und die Pferde. Wir lebten in Zelten. In diesen Zelten haben wir alles gehabt, was wir für das Leben brauchten. Wir sind von Ort zu Ort gefahren und überall, wenn wir was zu arbeiten gefunden haben, dann haben wir gearbeitet.

Haben Sie die Geschichte in Ihrer Familie erzählt?
Wir haben ihnen so eine Art Überblick gegeben. So richtig haben wir es ihnen nicht erzählt. Wir haben immer erzählt: Es war schwer dort, es war schlimm. Aber richtig haben wir mit den Kindern nicht darüber gesprochen.