„Wir wohnten in Hütten unter der Erde, mit unseren Pferden. Wir haben kein Essen bekommen, und viele sind verhungert (…) Die Toten lagen am Straßenrand, so wie Steine.“
Portocala Stanescu, geb. 1936, wohnt heute in Ivesti.
Sie gehört zur Zunft der Kesselschmiede, vor dem Krieg lebte ihre Familie nomadisch und zog auf der Suche nach Arbeit von Dorf zu Dorf.
Sie verbrachte zwei Jahre im Ghetto Tridubi, wo sie in einer Erdhütte untergebracht war.
Ihr Vater musste im Wald arbeiten.
Wir wurden mit dem Wagen und dem Pferd nach Transnistrien gebracht. Mein Vater ist dort gestorben und die Mutter ist mit den Kindern zurückgekommen.
In Tridubi haben sie uns Hütten unter die Erde gemacht und wir wohnten dort nebeneinander. Es stand eine Hütte neben der anderen. In unserer Hütte wohnten acht Personen. Nachts kamen auch unsere drei Pferde in die Hütte. Ich erinnere mich nicht, wie lange wir die Pferde behalten konnten. Wenn ein Pferd gestorben ist, dann haben wir es gegessen. Niemand von uns hat die Pferde mit zurückgebracht.
Mein Vater hat im Wald gearbeitet. Die Frauen haben morgens ein wenig Feuer gemacht. Ab und zu haben wir so ein Kraut gepflückt und eine Suppe daraus gekocht. Ab und zu gab es etwas Gemüse.
Die, die nicht arbeiten konnten, haben Kleidung verkauft. Und so bekamen auch sie ab und zu etwas. Viele sind verhungert.
Ich glaube, wir sind dort zwei Jahre geblieben.
Auf dem Rückweg nach Rumänien, da lagen die Toten am Straßenrand, so wie Steine. Der Schnee war so tief, und einige schafften den Weg nicht. Auch mein Vater ist dort gestorben.
Unseren Kindern haben wir so eine Art Überblick über diese Geschichte gegeben. So richtig haben wir es ihnen nicht erzählt. Wir haben immer erzählt: Es war schwer dort, es war schlimm. Aber richtig darüber gesprochen haben wir mit den Kindern nicht.
Eine redegierte Zusammenfassung des gesamten Interviews
„Wir wohnten in Hütten unter der Erde, mit unseren Pferden. Wir haben kein Essen bekommen, und viele sind verhungert.(…) Die Toten lagen am Straßenrand, so wie Steine.“
Waren Sie gemeinsam am Bug? Oder haben Sie sich später kennengelernt?
Ich wurde mit der ganzen Familie deportiert. Mit Vater, Eltern und anderen Kindern.
Wissen Sie noch, wie das ganze losging? Bekamen Sie einen Befehl?
Ich habe vergessen, wer mich aufgegriffen hat. Die Gendarmen – ich erinnere mich nicht mehr. Aber wir waren alle dort. Mein Vater ist dort gestorben und die Mutter ist mit den Kindern zurückgekommen.
Wie kamen sie dort hin? Mit dem Pferd oder dem Zug?
Wir haben einen Wagen mit Pferd gehabt.
Was ist damit passiert?
Die haben uns dort Hütten unter die Erde gemacht und wir wohnten dort nebeneinander. Es stand eine Hütte neben der anderen. Die Gemeinde hieß Tridubi.
Wie viele waren dort in einer Hütte?
Acht Personen.
Wie groß war die Hütte?
Ein wenig größer, als der Raum hier (der ca. 20 Quadratmeter misst). Die Betten waren aus Erde.
Das muss im Winter sehr kalt gewesen sein.
Es war ein Ofen dort, und wir brachten aus dem Wald Holz und haben im Ofen Feuer gemacht. Die Pferde kamen auch in unsere Hütte.
Wie viele?
Drei Pferde! Wir hatten kein Essen bekommen, und viele sind verhungert.
Und haben Sie es geschafft, dass alle drei Pferde durchkamen?
Ich erinnere mich nicht, wie lange wir die Pferde behalten konnten, da die Pferde nur zur Nacht in die Hütte kamen.
Aber nach Rumänien zurücknehmen konnten Sie sie nicht?
Niemand hatte die Pferde mit zurückgenommen.
Mussten Sie dort arbeiten? Haben Sie Arbeit gefunden?
Mein Vater hat im Wald gearbeitet. Andere mussten Gemüse….
Ernten?
Nein, nicht ernten! Es waren dort Wachleute!
Was gab es dann zu Essen?
Ja, wir bekamen etwas Gemüse, wenn wir gearbeitet haben.
Und die, die nicht konnten?
Sie haben Kleidung verkauft. Und so bekamen auch sie ab und zu etwas. Oder sie arbeiteten ab und zu.
Wie lange waren Sie in diesem Erdloch?
Ich glaube, wir sind dort zwei Jahre geblieben.
Wie war so ein Tag in einem Lager?
Wir sind aufgestanden, haben ein wenig Feuer gemacht. Und ab und zu haben wir – es gibt so ein Kraut, wir haben es draußen gepflückt und haben eine Suppe daraus gekocht. Für die ganze Familie; das haben die Frauen gemacht.
Wie viele Leute haben in der Siedlung gelebt?
Die Hütten waren so in einer Reihe und es waren so viele – ich kann mich nicht erinnern. Mehrere sind dort gestorben. Dort war sehr tiefer Schnee. Und wenn ein Pferd gestorben ist, dann haben wir es gegessen.
Die Eltern haben für deutsche Soldaten gearbeitet. Solange wir noch die Pferde hatten. Dann haben wir gearbeitet für die Deutschen. Die deutschen Soldaten haben uns immer Essen gegeben.
Als wir dann keine Pferde mehr hatten, haben sie gesagt: Ihr könnt zu Fuß nach Hause gehen.
Das war am Ende des Krieges?
Ja, vielleicht. Ich weiß es nicht mehr.
(über den Rückweg nach Rumänien):
Die Toten lagen am Straßenrand, so wie Steine… so lagen die Leichen! Auf dem Rückweg, da haben wir die Kinder an die Hände genommen und sind zu Fuß gegangen. Da war der Schnee so tief. Und einige schafften nicht den Weg durch den Schnee und sie sind dort geblieben. Auch mein Vater ist dort gestorben.
Vor dem Krieg, haben Sie da im Haus gewohnt -oder in Zelten?
Das, was Wert hatte, waren der Wagen und die Pferde. Wir lebten in Zelten. In diesen Zelten haben wir alles gehabt, was wir für das Leben brauchten.
Wir sind von Ort zu Ort gefahren und überall, wenn wir was zu arbeiten gefunden haben, dann haben wir gearbeitet.
Haben Sie die Geschichte in Ihrer Familie erzählt?
Wir haben ihnen so eine Art Überblick gegeben. So richtig haben wir es ihnen nicht erzählt. Wir haben immer erzählt: Es war schwer dort, es war schlimm. Aber richtig haben wir mit den Kindern nicht darüber gesprochen.