Rom*nija in der Ukraine 1941-1944
Ignorierter Völkermord
Während des zweiten Weltkrieges ermordeten Deutsche und ihre Verbündeten mehrere Hunderttausend Sinti und Roma in ganz Europa, auch in der Ukraine. Dieser Aspekt des Vernichtungskrieges wurde über Jahrzehnte hinweg nicht in der Erinnerungspolitik berücksichtigt, weder in Deutschland, noch in der Ukraine. Dabei wäre es falsch, von einem „vergessenen Genozid” zu sprechen. Denn in den Familien der Überlebenden war der Völkermord stets präsent. Die Mehrheitsgesellschaft hingegen hat ihn ignoriert und den Roma, die darüber sprachen, nicht zugehört.
Im Laufe mehrerer Monate haben wir Dutzende von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in vielen Regionen der Ukraine interviewt. Meist waren es Roma, die uns ihre Erlebnisse unter der deutschen Besatzung schilderten. Nicht-Roma berichteten uns, was sie über die Verfolgung und Ermordung ihrer früheren Roma-Nachbarn wissen. Überall trafen wir Menschen, die dazu beitragen, die Erinnerung an das Schicksal der Roma zu bewahren. Zum Projekt gehörte eine Exkursion, der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland und aus der Ukraine, Roma und Nicht-Roma, angehörten. Gemeinsam mit Nachkommen der Überlebenden suchten wir nach Möglichkeiten, auch ihren Erinnerungen Zugang zur Öffentlichkeit zu verschaffen. Unser internationales Projekt hat zum Ziel, den Genozid an den ukrainischen Roma stärker im Bewusstsein der Mehrheitsbevölkerung zu verankern und zugleich die Sensibilität für heutige Formen antiziganistischer Diskriminierung zu schärfen.
Zur Wortwahl: Den Begriff „Roma” nutzen in der Ukraine nur sehr wenige Angehörige dieser Minderheit; sie betonen damit einen bewussten Prozess der Selbstidentifizierung und sozial-kulturellen Stärkung der Rom*nija. Die meisten Angehörigen der Minderheit, darunter sämtliche von uns interviewten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, verwenden dagegen den Begriff „Цигани” (Zygany). Um Irritationen beim Lesepublikum insbesondere in Deutschland zu vermeiden, haben wir den Begriff dennoch meist mit „Roma” übersetzt. In Ausnahmefällen, etwa bei Übersetzungen aus historischem Kontext, haben wir ihn als „Zygany” transliteriert. Die Auszüge aus den Berichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bewahren den Stil der mündlichen Konversation und wurden nur geringfügig bearbeitet.
Teil I – Zeitzeug*innen
Iwan Kornijowytsch Bilaschtschenko
Lief den Deutschen gleich zweimal davon und kämpfte in der Roten Armee
Teil II – Hintergründe
Projektpartner:
Bildungswerk für Friedensarbeit e.V., Berlin
Ukrainisches Zentrum für Holocaustforschung, Kiew
Projektleitung und Texte:
Mikhail Tyaglyy, Frank Brendle, Gerit Ziegler