Melania v. Prodan, Ukraine

Melania v. Prodan, Ukraine

Frau v. Prodan wohnt in einem Dorf in der Nähe von Beresowka. Sie ist Angehörige der deutschen Minderheit, die früher in diesem Dorf ansässig war.

Beobachtungen zum Schicksal der Roma hat sie nicht gemacht. Aber sie schildert uns, wie sie 1941 eine Kolonne von Juden an ihrem Haus vorbeiziehen sah.

Am Rande des Dorfes wurden sie erschossen.

Vor Jahren hat sie der Gebietsverwaltung vorgeschlagen, ein Denkmal zu errichten. „Sie haben nicht einmal geantwortet“.

Nach dem Krieg wurde sie, obwohl ihr Großvater eine jüdische Frau mit ihrem kleinen Jungen gerettet hatte, für einige Jahre nach Sibirien deportiert. Nach ihrer Rückkehr musste sie sich noch lange gegen den Vorwurf, eine „Faschistin“ zu sein, wehren. Sie konnte studieren und arbeitete bis zu ihrer Rente als Feldscher (Landärztin).

„Als wir am nächsten Tag hin wollten, um den Juden das Essen zu bringen, wurden wir von anderen angehalten, die sagten: ‚Geht nicht hin. Man hat sie in der Nacht alle erschossen und verbrannt. (…) Nichts gibt es dort jetzt, weder ein Denkmal noch sonst ein Zeichen.“

„Als wir am nächsten Tag hin wollten, um den Juden das Essen zu bringen, wurden wir von anderen angehalten, die sagten: ‚Geht nicht hin. Man hat sie in der Nacht alle erschossen und verbrannt (…) Nichts gibt es dort jetzt, weder ein Denkmal noch sonst ein Zeichen.“

Als eine Kolonne von Juden aus Odessa hergetrieben wurde, ist meine Muttermit dem frisch gebackenen Brot rausgerannt. Die Deutschen fingen an, sie anzuschreien. Doch dann kam die Großmutter raus – sie war eine gebürtige Deutsche und ihr Deutsch war sehr gut. Sie schrie dann zurück „Die Menschen sollen essen!“ Dann durften wir ihnen das Brot geben.

Unter ihnen gab es zwei junge Mädels, hübsche, schwarzhaarige – sie gingen und sangen. Sie wussten ja nicht wohin man sie bringt. So haben sie einfach gesungen, auf Russisch …

Man hat diese Menschen dann zusammen getrieben in so einer Art Stall. Und als wir am nächsten Tag hin wollten, um ihnen das Essen zu bringen, wurden wir von anderen angehalten, die sagten: „Geht nicht hin. Man hat sie in der Nacht alle erschossen und verbrannt.“

Dort in den Kolchosen hat man früher Gräben gemacht, um das Unkraut hinein zu werfen – dort wurden die Juden erschossen. Der Graben wurde zugeschüttet. Jetzt kann man das gar nicht mehr erkennen. Nichts gibt es dort jetzt, weder ein Denkmal noch ein Zeichen oder einen Platz.

Ich habe an das Rote Kreuz geschrieben, und dann kamen mal welche hierher. Das waren Historiker aus einem Institut in Mikolaiw. Ich sagte denen: „Kann man denn nicht wenigstens ein kleines Denkmal aufstellen? Das sind doch gute Leute …“ Im Jahr 43 hat man aus den deutschen Kolonien die Einwohner  evakuiert. Die Russen haben die Evakuierten später nach Sibirien geschickt. Auch uns. Dort waren wir bis 1947.

Natürlich haben uns die Hiesigen auch erniedrigt. Als ich es an die Uni geschafft hatte, da waren sie neidisch. Ich wurde  von den Kindern hier beschimpft: „Die Deutsche, die Faschistin!“ Was habe ich denn damals vom Faschismus verstanden? Ich war doch noch ein Kind.

Von den Einheimischen gibt es nur noch eine Frau, sie ist krank, und mich. Alle anderen sind Umsiedler. Die wissen nichts mehr darüber. Ich schreibe meine Geschichte auf für meine Enkel. Noch zeige ich ihnen nichts, aber wenn ich nicht mehr da bin, so werden sie es lesen.

Eine redegierte Zusammenfassung des gesamten Interviews.