L.M., Romni aus Rumänien

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Projektreise haben uns im Vorfeld einige Ausführungen zu den historischen Ereignissen, ihrem Wissensstand, ihren Fragen und ihrem persönlichen Hintergrund übermittelt. Wir veröffentlichen einige dieser Ausführungen (in anonymisierter Form).

L.M. verweist auf eine Umfrage des Elie-Wiesel-Instituts vom Mai 2015, derzufolge 21 Prozent der Befragten in Roma eine Gefahr für Rumänien sehen, und 40 Prozent sie zumindest für ein Problem halten. Hingegen wissen nur 18 Prozent der Rumänen etwas über den Völkermord an Roma.

Auch Roma selbst wüssten nur wenig darüber. Das fehlende Bewusstsein für die entscheidenden Momente ihrer eigenen Geschichte trage aber dazu bei, dass Roma von sich selbst eine geringe Einschätzung hätten.

Die Erinnerung an diesen Teil der Geschichte könne deswegen zur Erneuerung der Identität für die heutige junge Roma-Bevölkerung beitragen.

Bezüglich der Deportationen im Jahr 1942 schreibt L. M. die Mehrheitsbevölkerung habe diese Deportation begrüßt. Manche Politiker und Künstler hätten zwar dagegen protestiert, die Prominenteste von ihnen die Mutter des Königs, aber die intellektuelle Elite jener Zeit sei durchsetzt gewesen von rassistischen Ansichten über die Roma.

Als Ausgangspunkt für rumänischen Antiziganismus verortet L. M. die Abschaffung der Sklaverei zu Mitte des 19. Jahrhunderts. Die „befreiten“ Sklaven wurden teilweise von ihren früheren Herren entlassen und so obdachlos – in den Augen des Innenministeriums: „staatenlose Vagabunden“. Bei Beginn des Krieges wurde Antiziganismus zu einem offenen politischen Problem.

Die Deportationen seien teilweise rassistisch, teilweise von sozialen Kriterien motiviert gewesen.Den wicht igsten Grund für die Deportation sieht L. M. in der Absicht des rumänischen Staates, ähnlich wie die deutsche Führung, eine „ethnische Säuberung“ durchzuführen. Zeitgenössische Behauptungen, es sei um eine „soziale“ Säuberung gegangen, etwa die Deportation besonders krimineller Personen usw., seien nur vorgeschoben. Letztlich sei es den Tätern um „rassische Reinheit“ gegangen.

Die Urgroßeltern von L. M. waren Schmiede, die aber nicht Romanes sprachen und offiziell nicht als Roma registriert waren. Deshalb waren sie von den Deportationen nicht betroffen. Sie waren aber Zeugen, als Blechschmiede aus der Nachbarschaft versammelt und deportiert worden waren. Die Großmutter von L. M., Jahrgang 1939, erinnert sich daran, dass sie damals bei Verwandten kam, die in Sorge vor deutschen Übergriffen waren.