Mikola Petrowitsch Bljaschuk

„Die kleine Romni kniete nieder und begann zu beten“

Mikola Petrowitsch Bljaschuk
Mikola Petrowitsch Bljaschuk

Im Dorf Melnizki Ritschizki, kurz vor der polnischen Grenze, sprechen wir mit Mikola Petrowitsch Bljaschuk, geboren 1929. Er ist kein Rom, erzählt uns aber, dass bis zum Zweiten Weltkrieg eine Roma-Familie im Dorf gelebt habe. Das Oberhaupt sei ein Schmied gewesen, der für die Bauern Hackbeile und Messer hergestellt habe. Von Zeit zu Zeit seien weitere Roma mit ihren Zelten zu dieser Familie gekommen.

„Die Deutschen, sie brachten Juden um, aber auch Roma.“ Eines Tages hätten die Besatzer die Tochter der Roma-Familie geschnappt und erschießen wollen. Diese habe dann begonnen, das Vaterunser zu beten: „Die kleine Romni kniete nieder und begann „Vater Unser“ zu beten, also wie wir. Und die [die Deutschen] fragten dann: „Bist du denn Christin?“ Sie sagte: „Ich bin Christin.“ Und sie wurde nicht erschossen. Sie blieb am Leben.“ Die Familie des Schmiedes sei danach aus dem Dorf geflohen.

Mikola Petrowitsch konnte uns nicht erläutern, ob die Besatzer zu diesem Zeitpunkt genau wussten, dass es sich bei der jungen Frau um eine Romnij handelte. Ihre Überraschung über den christlichen Glauben der Frau könnte darauf hindeuten, dass die Deutschen sie für eine Jüdin gehalten hatten. Deutlich wurde aus dem Interview aber, dass selbst in diesem kleinen Dorf das Wissen um den Völkermord sowohl an Roma als auch an Juden verbreitet war. Der Dorfvorsteher habe den Deutschen treu gedient und den Dorfbewohnern eingeschärft, sie sollten keine Juden verstecken, weil sie sonst erschossen würden.