Exkursionsphase

In der Exkursionsphase erhielten junge zehn Akteure aus Deutschland und der Ukraine die Gelegenheit, mit einigen der Zeitzeugen zu sprechen. Dies erforderte zunächst umfangreiche Vorarbeiten: Die während der Recherche aufgezeichneten Interviews wurden transkribiert, der ukrainische Partner traf anschließend eine Auswahl, welche Transkripte zum Erreichen des Projektziels übersetzt werden sollten. Diese Transkripte wurden gemeinsam gesichtet und anschließend entschieden, welche Zeitzeugen erneut besucht werden sollten. Kriterien waren dafür zum einen die Aussagekraft der Interviews, zum anderen die Erreichbarkeit der Zeitzeugen innerhalb des begrenzten Exkursionszeitraums, und selbstverständlich auch der Gesundheitszustand der Zeitzeugen.

Parallel zu diesen Vorarbeiten wurden mögliche Teilnehmer der Exkursion geworben, vor allem durch E-Mail-Verteiler und direkte Anschreiben an Roma-Organisationen. Kriterien waren hier (wenigstens geringe) Vorerfahrungen und möglichst Engagement in einer NGO, die in den Bereichen Geschichtspolitik oder Antirassismus/Menschenrechte aktiv ist. Auch Bewerber mit journalistischen Erfahrungen kamen in Betracht. Zu den Werbemaßnahmen gehörte hier auch ein Projekttrailer (der noch auf der Homepage steht).

Die Exkursion fand schließlich im Zeitraum 31. August (Anreise) bis 9. September 2018 (Abreise) statt, mit je fünf Teilnehmern aus Deutschland und der Ukraine.

Sie begann mit einem Workshop in Kiew, bei dem einige historische Grundlagenkenntnisse und Grundkenntnisse in Interviewführung vermittelt wurden. Im Rahmen des Workshops wurde auch das Museum der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg besucht.

Während der Exkursion wurden insgesamt 13 Interviews durchgeführt. Darunter waren acht Zeitzeugen, von diesen wiederum sechs Roma, die die deutsche Besatzung unmittelbar erlebt hatten. Die Interviews fanden entweder in den Wohnungen der Zeitzeugen statt oder in deren Höfen/Vorgärten, dreimal auch an Erinnerungsstätten. Bei den Roma-Zeitzeugen waren wiederum nahe Familienangehörige zugegen.

Bei den Interviews unterstützte und intervenierte der ukrainische Projektpartner, wo nötig. Eine Simultanübersetzung ermöglichte den deutschen Teilnehmern, dem Interview zu folgen. Insofern das Interviewteam gemischt oder nur aus deutschen Teilnehmern bestand, wurde konsekutiv übersetzt.

Die weiteren Interviews fanden mit Experten bzw. lokalen Akteuren statt, die sich um die Aufarbeitung von Verbrechen bemühen, bzw. mit Vertretern von Roma-Selbstorganisationen. Zudem fanden ausführliche Gespräche mit Mikhail Tyaglyy zu den historischen Abläufen und der Aufarbeitung des Genozids statt. Interviews wurden in den Städten (bzw. in Dörfern in der Nähe von) Kiew, Tscherkassy, Schytomyr, Iwanopil, Lutzk und Kowel geführt.

Eine Übersicht des Exkursionsprogramms befindet sich im Anhang.

Der Transport erfolgte mittels zweier Kleinbusse, die von einem früheren Projektpartner des Bildungswerks in Odessa gestellt wurde. Die Reisegruppe umfasste damit 17 Personen: 10 Teilnehmer, drei Projektleiter, einen Kameramann, eine Dolmetscherin, zwei Fahrer. Jeweils am Vorabend bzw. während der gemeinsamen Fahrt im Bus besprachen die Teilnehmer der Exkursion die jeweilige Interviewführung und legten ein Interviewteam für den Folgetag fest. Die Projektpartner stellten dafür ein kurzes Handout zur Verfügung.

Sämtliche Interviews wurden wiederum videographisch erfasst, diesmal, im Unterschied zur Recherchephase, zusätzlich von einem professionellen Kameramann. Unser Fazit: Die geführten Interviews waren nach Einschätzung der Projektleiter außerordentlich inhaltsreich und bieten eine gute Grundlage für eine informative Wanderausstellung.

Anhang: Verlauf Bildungsreise „Genozid an Rom*nija in der Ukraine 1941-1944“

Freitag, 31. August:

  • Anreise nach Kiew
  • 30 Uhr Begrüßung, Grußworte (Anatoliy Podolsky, Ukrainisches Zentrum für Holocaustforschung; Jens Kraus-Massé, Leiter der Rechts- und Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Kiew)
  • 00 Austauschrunde zum Kennenlernen, Projektvorstellung
  • 00 Vortrag Frank Brendle (Projektleiter, Bildungswerk für Friedensarbeit): Verfolgung von Rom*nija innerhalb des Deutschen Reiches 1933-1945
  • 00 Uhr Vortrag Julian Kondur (Rechtsanwalt, Menschenrechtsaktivist): Antiziganistische Vorfälle in der Ukraine
  • 00 Uhr Vortrag Tetyana Storoschka (NGO „Arka“ zur Förderung der Roma-Kultur in der Ukraine): Geschichte der Rom*nija in der Ukraine

Samstag, 1. September:

  • 00 Stadtführung mit Informationen zur Stadtgeschichte. Guide: Ljuba Danylenko
  • 30 Führung durch das Museum der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg
  • 00 Fortsetzung des Workshops: Vortrag zur Verfolgung von Roma in der Ukraine und heutige Erinnerungspolitik. Anschließend Diskussion, Fragen. Referent: Mikhail Tyaglyy, Projektpartner, Ukrainisches Zentrum für Holocaustforschung, Kiew.
  • 00 Einführung in Interviewtechniken (Mikhail Tyaglyy, Gerit Ziegler (Projektleiterin, Bildungswerk für Friedensarbeit)

Sonntag, 2. September:

  • 30 Abreise nach Tschernihiw
  • 30 Interview mit Gerard Kusnezow (geb. 1925) am Mahnmal für die ermordeten Roma in Tschernihiw
  • 00 Rückreise nach Kiew
  • 00 Interview mit Raissa Nabarantschuk (Romnij, geb. 1943) am Mahnmal der ermordeten Roma in Babin Jar.

Montag, 3. September:

  • 30-12.00: Besichtigung der Gedenkanlage in Babyin Jar. Dort Gespräch mit einem der Initiatoren des Roma-Mahnmals über Erinnerungspolitik und Antiziganismus
  • 00 Abreise nach Lubny
  • 00 Interview mit Oleksandr Karpenko (Lehrer) und Sergij Timoschenko (örtliche Kosaken-Organisation) am Ort eines Massakers an Rom*nija außerhalb der Ortschaft Lubny. Die beiden Gesprächspartner engagieren sich in der Gemeinde seit Jahren um die Erinnerung an dieses Verbrechen und haben ein Gedenkzeichen initiiert.
  • 30 Abreise nach Tscherkassy.

Dienstag, 4. September:

  • 00 -12.00 Interview mit Iwan Bilaschtschenko (geb. 1926) über seine Verfolgung als Rom während der deutschen Besatzung
  • 00 Abreise nach Solotonoschna. Dort Interview mit Wolodymyr Bambulo, Leiter einer örtlichen Roma-NGO und Schriftsteller, der in seinen Arbeiten auch das Schicksal der ukrainischen Rom*nija thematisiert
  • 00 Abreise nach Schytomyr

Mittwoch, 5. September:

  • 30 Abreise nach Tschernjachow
  • 30 – 12.30 Interview in mit Olga Woloschino (geb. 1928) über die Ermordung ihrer Eltern und ihre eigene Rettung durch Nachbarn
  • 30 Abreise nach Iwanopil
  • 00 – 17.00 Interview mit Deonys Sowynsky, der als Zehnjähriger die Ermordung ukrainischer Rom*nija durch deutsche und ukrainische Polizisten beobachtet hat. Gemeinsame Besichtigung der historischen Stätten und einer Gedenkanlage.
  • 00 Rückreise nach Schytomyr.

Donnerstag, 6. September:

  • 00 – 11.30 Interview mit Wolodymyr Markowsky (geb. 1935) über Verfolgung, Inhaftierung und Flucht zu Partisanen
  • 00 Abreise nach Lutsk
  • 00 Lutsk: Interview mit Ljubow Korschewytsch (geb. 1938) über Flucht und Verfolgung durch die Deutsche und nationalistische Milizen
  • 00 Lutsk: Gespräch mit Tetjana Logwinjuk, Vorsitzende des Vereins Terne Roma zur Situation der Roma-Minderheit

Freitag, 7. September:

  • 00 Abreise nach Wyderta, Besichtigung des Roma-Kreuzes in Erinnerung an die Vernichtung eines Roma-Zeltlagers durch deutsche und ukrainische Kräfte.
  • 30 Besichtigung einer Gedenkanlage für ermordete Jüdinnen und Juden außerhalb von Kowel. Vortrag von Mikhail Tyaglyy über das Projekt „Protected Memory“
  • 00 Besichtigung des sog. „Polenberges“ in Kowel, wo ein (unbestätigtes) Massaker an Rom*nija stattgefunden haben soll
  • 30 Kowel: Interview mit Hanna Stojanowitsch (geb. 1932) über ihre Festnahme durch deutsche Soldaten, kurzfristige Inhaftierung im Ghetto in Kowel und Flucht mit Hilfe eines bekannten ukrainischen Polizisten.

Samstag, 8. September/Sonntag 9. September

  • 00 Auswertungs-Workshop: Austausch über die wichtigsten Eindrücke und über didaktische Verwertung der Interviews im Rahmen von Videos und Ausstellungsproduktion.
  • 00 Schluss der Exkursion. Rückreise nach Kiew bzw. Lwiw (nächstgelegene internationale Flughäfen; Rückflug der deutschen Teilnehmer bzw. Weiterreise der ukrainischen Teilnehmer in ihre Heimatorte am 9. September).