Besuch in Russland: Projekterfolg unter schwierigen Bedingungen

Ausstellungseröffnung in Moskau und Besuch in Smolensk/Alexandrowka

Am 30. November wurde in Moskau eine Ausstellung zum Roma-Genozid eröffnet, die auf Interviews basiert, die im Frühjahr und Sommer 2024 im Rahmen unseres Projektes genommen wurden. Aus diesem Anlass fand ein Besuchsprogramm der russischen, belarusischen und deutschen Projektpartner in Moskau und Smolensk statt.

Eröffnung der Ausstellung, Moskau, 30. 11. 2024

Vom 26. November bis zum 4. Dezember fand ein Austauschprogramm mit bzw. zwischen unseren russischen und belarusischen Projektpartnern in Russland statt. Aus Belarus reisten sieben Teilnehmer:innen der Belarusischen Roma-Diaspora an, aus Deutschland nahm unser Mitarbeiter Frank Brendle teil (zugleich Geschäftsführer des Bildungswerkes).

Unmittelbarer Anlass des Treffens war die Eröffnung der Ausstellung, die in diesem Jahr erstellt wurde: Auf 15 Bannern werden Aussagen von Romnij und Roma zusammengefasst, die selbst bzw. deren Vorfahren die NS-Verbrechen auf dem Gebiet des besetzten Russlands überlebt hatten. Ergänzend wird der historische Forschungsstand zusammengefasst und der internationale Charakter des Genozids an den europäischen Roma erläutert. Die Eröffnung fand am 30. November im „Haus der Völker Russlands“ statt, in dem mehrere Vertretungen nationaler Minderheiten ihren Platz haben. Von Seiten der deutschen Botschaft beteiligte sich Lena Hillmeier mit einem Grußwort an dem Treffen.

Ausstellung im Flur des "Haus der Völker Russlands", Moskau, 30. 11. 2024
Ausstellung im Flur des „Haus der Völker Russlands“, Moskau, 30. 11. 2024

Es nahmen rund 20 Abgeordnete von Roma-Organisationen teil, die an einem Konferenztisch zugleich ihre Einschätzung des Themas und weiterer Perspektiven diskutierten. (Auf die Nennung von Namen verzichten wir in diesem Bericht, da dies nicht mit den Teilnehmer:innen abgesprochen ist und wir angesichts der innenpolitischen Situation in Russland jegliche Gefährdung unserer Gäste und Gesprächspartner:innen vermeiden wollen. Die hier veröffentlichten Fotos wurden zum Zweck der Veröffentlichung mit Zustimmung der Abgebildeten aufgenommen, in Moskau war auch eine Nachrichtenagentur vertreten). Inhaltlich ging es auch um die Versäumnisse der Aufarbeitung und Entschädigungspolitik seitens Deutschlands; heftige Emotionen löste auch der Bericht von Frank Brendle über die geplanten Baumaßnahmen im Bereich des Denkmals zum Roma-Genozid in Berlin aus. Der beschlossene Bau einer unterirdischen S-Bahn-Trasse droht das würdige Gedenken auf Jahre hinaus unmöglich zu machen.

Unser Geschäftsführer traf sich während seines Aufenthaltes in Moskau auch mit weiteren Expert:innen von Roma-Selbstorganisationen und Holocaust-Forscher:innen, um die Möglichkeiten einer künftigen Zusammenarbeit zu besprechen. Angesprochen wurden insbesondere Bildungs- und Austauschprogramme.

Ein weiterer Höhepunkt des Aufenthalts war die Reise nach Smolensk. Wir sind dort auf einen weiteren Vertreter einer Roma-Selbstorganisation gestoßen, mit dem wir im kommenden Jahr gerne zusammenarbeiten würden. Gemeinsam besichtigten wir die Denkmäler für die Ermordeten der früheren Roma-Kolchose in Alexandrowka, wo im April 1942 mindestens 178 Roma von deutschen Soldaten erschossen wurden.

Besuch in Alexandrowka

Ein Denkmal aus den 1960er Jahren, das allgemein an die ermordeten „sowjetischen Bürger“ erinnert, wurde 2019 durch ein weiteres Denkmal ergänzt, in dem explizit betont wird, dass die Opfer nur deswegen getötet wurden, weil sie Roma waren, und auf dem die Namen der Ermordeten genannt werden. Nach dem Besuch des Denkmals waren wir beim Sohn einer Überlebenden des Massakers eingeladen, der uns sehr freundlich bewirtete und betonte, er freue sich sehr, dass sich junge Deutsche für die Vorgänge interessieren und ihn besuchen kommen. Begleitet wurden wir bei beiden Terminen in Alexandrowka von zwei Vertreterinnen der deutschen Botschaft, für die es die erste Begegnung mit russischen Roma war.

Besuch beim Sohn einer Überlebenden des Alexandrowka-Massakers; Smolensk
Besuch beim Sohn einer Überlebenden des Alexandrowka-Massakers; Smolensk

Unsere Einschätzung zu den Perspektiven einer künftigen Zusammenarbeit ist zwiespältig: Völlig klar ist für uns, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht die deutsche Verantwortung gegenüber auch den russischen Opfern der NS-Verbrechen schmälert. Der Bedarf an Projekten und Maßnahmen in den Bereichen Erinnerung und Kampf gegen Antiziganismus, der uns in den Gesprächen von Vertreter:innen russischer NGOs geäußert wurde, ist immens, ebenso wie das Interesse an einem Austausch etwa mit Forschungseinrichtungen und Roma-Selbstorganisationen in Deutschland. Zugleich ist politische Bildung in Russland noch schwieriger als in Belarus jenseits staatlicher Institutionen durchzuführen. Einige potentielle Projektpartner:innen haben offen ihre Scheu bekundet, sich im Rahmen eines Programms zu engagieren, das mit Mitteln deutscher Regierungsbehörden finanziert wird. Auch unsere Absicht, weiterhin mit ukrainischen Partnerorganisationen zu kooperieren und hierüber selbstverständlich auf unserer Homepage zu informieren, könnte uns bzw. unsere potentiellen Partner in Russland einer, gelinde gesagt, skeptischen Bewertung seitens russischer Behörden aussetzen. Umso froher sind wir darüber, dass es trotz aller Widrigkeiten und Repressionen gelungen ist, diese Ausstellung zu realisieren und damit ein Instrument geschaffen zu haben, das Wissen über den Roma-Genozid auch in der russischen Mehrheitsbevölkerung weiter zu verbreiten. Es sei hinzugefügt, dass dies ohne unsere belarusischen Partner nicht möglich gewesen wäre – seine Expertise ist auch unter russischen Roma-Organisationen unbestritten, und seine Kenntnis der politischen Landschaft dort unverzichtbar.