Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze

Ausgrenzung zu bekämpfen ist Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft

WIRD MAN UNS JE FRAGEN, WAS WIR MÖCHTEN
ODER MÜSSEN WIR IMMER FRAGEN, WAS WIR DÜRFEN?
Fatima Hartmann, Romnja und Aktivistin aus Köln

Seit Rom:nja vor rund 600 Jahren nach Mitteleuropa kamen, werden sie rassistisch ausgegrenzt. Die Mehrheitsgesellschaften erklären sie zu »Fremden« und »Anderen« und beanspruchen Deutungshoheit über sie. Dieser Rassismus wird in unzähligen Bildern, in Büchern, Bühnenstücken, Filmen und Medien seit Jahrhunderten festgeschrieben und ist noch heute die Regel.

41,9% DER BEFRAGTEN GEBEN AN, DASS SIE PROBLEME DAMIT HÄTTEN, »WENN SICH SINTI UND ROMA IN [IHRER] GEGEND AUFHALTEN … MEHR ALS EIN DRITTEL DER BEFRAGTEN IST DER ANSICHT, DASS SINTI UND ROMA‚ AUS DEN INNENSTÄDTEN VERBANNT‘ WERDEN SOLLTEN … ÜBER DIE HÄLFTE DER BEFRAGTEN IST DER ÜBERZEUGUNG, DASS SINTI UND ROMA ZUR KRIMINALITÄT NEIGEN WÜRDEN.
Leipziger Autoritarismus-Studie 2020

Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze ist eine spezielle Form des Rassismus, die auch andere, von der Mehrheitsgesellschaft zu »Zigeunern« stigmatisierte Gruppen treffen kann. In Deutschland wurde er während der NS-Herrschaft radikalisiert, bis hin zur Ermordung Hunderttausender Rom:nja und Sinti:zze.

WESHALB NACH DER NS-ZEIT NICHT JEDER/M ROMN:JA ZUMINDEST AUTOMATISCH BLEIBERECHT GEWÄHRT WURDE, KANN NUR MIT ANHALTENDEM RASSISMUS BEGRÜNDET WERDEN. DIE DEUTSCHE REGIERUNG UND ALLE BETEILIGTEN BEHÖRDEN VERKENNEN ABSICHTLICH DIE TATSÄCHLICHE LAGE VON ROMN:JA IN DEN BALKANSTAATEN. ASYLANTRÄGE WERDEN PAUSCHAL ALS ›OFFENSICHTLICH UNBEGRÜNDET‹ ABGELEHNT.
breakdeportation.blogsport.de

Dieser Rassismus beinhaltet eine historisch gewachsene und transnational organisierte Gewalt.

Die rassistische Ausgrenzung wirkt auf die Psyche, den Körper, und verursacht generationen übergreifend Lebenserschwernisse, Verletzungen, Krankheiten und verkürzt Lebenserwartungen. Sie hat den Ausschluss von materiellen, finanziellen und symbolischen Ressourcen, von gesellschaftlicher und struktureller Anerkennung und Teilhabe zur Folge.

53,64 PROZENT FÜHLTEN SICH BEI BEHÖRDENBESUCHEN ›EINGESCHÜCHTERT‹, ›SCHLECHT BEHANDELT‹ ODER ›DISKRIMINIERT‹. ÜBERDURCHSCHNITTLICH VIELE DER BEFRAGTEN BESUCHTEN EINE FÖRDERSCHULE (10,7 PROZENT, IN DER MEHRHEITSBEVÖLKERUNG NUR 4,9 PROZENT).
www.antidiskriminierungsstelle.de

Diese Gewalt wirkt sowohl auf Einzelne, als auch auf Gruppen der Rom:nja. Alleine aufgrund ihrer kulturellen Herkunft, mitunter sogar wegen ihrer biologischen Abstammung, werden ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, in denen sie dann unabänderlich festgehalten werden.

»ROMA SIND IN DER EU HÄUFIG OPFER VON ZWANGSRÄUMUNGEN,
BEHÖRDLICHEN SCHIKANEN UND GEWALTTÄTIGEN ANGRIFFEN.«
Amnesty International

Rom:nja und Sinti:zze sind Gegenstand zahlreicher Vorurteile, die sich bis heute hartnäckig halten. Vorurteile dienen einer unreflektierten Hetze, die sich auch gegen Flucht und (Arbeits-) Migration von Rom:nja aus südosteuropäischen Ländern richtet. Ihnen wird unterstellt, nicht auf der Suche nach Arbeit und Schutz zu sein, sondern Sozialsysteme ausnutzen zu wollen.

In Medien und sozialen Netzwerken werden häufig dieselben Bilder gezeigt: Müllberge, schmutzige Kinder, bettelnde Frauen in langen Röcken. Einzelne Abgebildete werden zum Synonym für ganze Gruppen.

»SIE LEBEN IN SLUMS, DIE ES NICHT GIBT, IN STRASSEN, DIE ES NICHT GIBT, IN HÜTTEN, DIE KEINE HAUSNUMMERN HABEN. DIE HIER GEBORENEN KINDER GIBT ES NICHT, WEIL SIE AN EINEM ORT GEBOREN SIND, DEN ES NICHT GIBT, UND DIESEN ORT GIBT ES NICHT, WEIL ER IN KEINEM KATASTERAMT VERZEICHNET IST UND OFFIZIELL NICHT EXISTIERT.«
Ljiljana Stanojević, Journalistin, Serbien

Tatsächlich leben viele Rom:nja in vielen Ländern unter schlechten Bedingungen. Das allerdings ist keinesfalls Resultat ihrer unterstellten »wesenshaften Andersartigkeit«, sondern Folge der gesellschaftlichen Ausgrenzung.

»IN EINER STUDIE GABEN 81,2 PROZENT DER BEFRAGTEN DEUTSCHEN SINTI UND ROMA AN, PERSÖNLICHE DISKRIMINIERUNG ERFAHREN ZU HABEN.«

Diese Ausgrenzung zu überwinden wäre Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft.

Dabei darf sie nicht einseitig auf »Integration« (in eine rassistische Gesellschaft) setzen, sondern muss gemeinsam mit Rom:nja, Sinti:zze und ihren Selbstorganisationen Wege besprechen, die Gesellschaft zu ändern. Ohne den Betroffenen rassistischer Ausgrenzung zuzuhören, ist ein Kampf gegen Rassismus nicht möglich.

Demonstration gegen die Einstufung als »sichere Herkunftstaaten« und für ein Bleiberecht für Rom:nja.
Berlin, 2016:. Demonstration gegen die Einstufung von Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Albanien als »sichere Herkunftstaaten« und für ein Bleiberecht für Rom:nja.