»Wer nicht zu den Partisanen ging, wurde ermordet«
Nina Iwanowna Jankowskaja, geb. 1957
Im Gespräch mit Nina Iwanowna wird deutlich, wie ausführlich innerhalb ihrer Familie über die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg gesprochen wurde, und wie lebendig diese Erinnerung bei den Kindern der Überlebenden ist. Nina Iwanowna spricht darüber, wie zahlreiche Familienangehörige mit Hilfe der Partisanen und der örtlichen Bevölkerung überlebten.
Am Anfang haben die Deutschen den Roma nichts getan. Einige sollen sogar freundlich zu den Kindern gewesen sein. Einmal kamen die Deutschen ins Haus und zeigten auf meinen Bruder und meinen Onkel. »Seid ihr Juden?«, fragten sie. Der Onkel antwortete »Nein, wir sind Roma.« Und sie haben nichts gemacht.
Meine Mutter meinte, die Polizisten hätten angefangen, die Roma bei den Deutschen zu verraten. Weil sie bei den Partisanen gekämpft haben. Und erst danach hätten die Deutschen die Roma erschossen. Meine Mutter erzählte mir viel darüber. Dass unsere Frauen in die Dörfer gingen, wo sie wahrsagten und bettelten, um Essen für die Kinder zu bekommen. Meine Tante ging auch mit ihren Kindern und noch einer Bekannten.
Die Deutschen haben sie getroffen und alle vier erschossen. Die Frauen waren ja traditionell angezogen, man konnte sie erkennen. Als das anfing, ist meine Familie zu den Partisanen gegangen. Mein Onkel war dort, er war Aufklärer, hat auch Züge gesprengt. Ebenso meine Mutter, der Großvater, meine Cousine Tamara. Ich kann sie nicht alle aufzählen.
Die Mehrheit ist zu den Partisanen gegangen, zur Belousow-Truppe. Diejenigen, die geblieben sind, wurden von den Deutschen ermordet. Der andere Onkel, der Bruder meines Vaters, war auch an der Front. Er kam nicht mehr zurück.
Die Partisanen haben sie ziemlich gut behandelt. Sie hungerten, aber die Dorfbewohner haben natürlich geholfen. Die älteren Menschen, die Frauen haben Lebensmittel gegeben. Manchmal gab es Pferdefleisch, und meine Mutter wollte das nicht essen. Immerhin ist für uns Roma ein Pferd der beste Freund. Gelebt haben die Roma dort in Laubhütten, so wie immer. Sie hatten ja zuvor schon nomadisch gelebt. Manchmal wurde der Ort gewechselt, weil die Partisanen woanders kämpfen mussten.
Im Winter wohnte meine Mutter mit ihren Kindern und Verwandten bei Russen, mit denen sie befreundet war. Einmal kamen Polizisten in die Wohnung gegenüber und fragten eine Frau, wo ihr Mann sei. Der war bei den Partisanen, aber die Frau sagte, sie wisse nichts. Da haben sie sie erschossen, und sogar das kleine Baby auf ihrem Arm.
Ihr älterer Sohn hatte sich aber im Keller versteckt. Und er hat sich das Gesicht von diesem Polizisten gemerkt. Viele Jahre später, als er zum Militärdienst einberufen wurde, hat er diesen ehemaligen Polizisten auf der Militärkommission wieder erkannt. Er hat ihn angezeigt, meine Mutter war dann selbst Zeugin im Gerichtsverfahren, und der Mann kam ins Gefängnis.
Nina Iwanowna berichtet, dass zahlreiche Familienangehörige mit Hilfe der Belousow Partisanen überlebten. Diese Partisanengruppe begann ihre Operationen bereits im Juli 1941 auf dem Gebiet der Oblast Mogilew, im östlichen Belarus. Im Januar 1944 wurde die Einheit als 113. Partisanenregiment umgruppiert. Anführer war von Juli 1941 bis Januar 1944 Konstantin Michaijlowitsch Belousow. Am 30. Juni 1944 schloss sich das Regiment mit 920 Angehörigen, davon 57 Frauen, der Roten Armee an. 619 Angehörige wurden als Belaruss:innen, 223 als Russ:innen, 39 als Ukrainer:innen. 20 gehörten anderen Ethnien an.
»Im Juli 1941 organisierte Genosse Belousow eine Partisaneneinheit unter den Bedingungen der anhaltenden deutschen Offensive. Die Einheit, die er befehligt, hat folgendes erreicht: Mehr als 2.500 Deutsche wurden getötet, 21 Autos und Motorräder vernichtet, 23 Brücken zerstört, Eisenbahnschienen – 6 Kilometer – gesprengt, 15 Polizei- und deutsche Garnisonen vernichtet, darunter Paschkowo, Wendrosch, Knjaschytsy, Zabawy usw., 9 entgleiste Züge und vieles mehr. Als Kommandeur der 6. Brigade hat Genosse Belousow die Geheimdienstarbeit in Mogilew gut aufgebaut und rechtzeitig wertvolle Informationen geliefert, um die Arbeit unter den feindlichen Truppen, insbesondere den Verrätern, zu organisieren.
Das Überlaufen der Offizierskompanie der Gil-Einheit [ein Sonder-Bataillon des SD aus etwa 500 russischen Freiwilligen, Anm. Projektteam] zur Brigade ist das Ergebnis der erfolgreichen Arbeit des Genossen Belousow. Persönlicher Mut, militärische Kompetenz, Beharrlichkeit bei der Erfüllung der getroffenen Entscheidungen – das ist der Stil des Brigadekommandanten. Genosse Belousow verdient einen Regierungspreis, den Lenin-Orden.«