Genozid an Rom:nja in Belarus: tausende Morde…

Die deutschen Besatzer haben in Belarus mindestens 3000 Rom:nja ermordet – diese Zahl nennt der Historiker Christian Gerlach als Ergebnis seiner Forschungen.

Die genaue Zahl ist mit Sicherheit viel höher, wird sich aber kaum jemals exakt bestimmen lassen: Zu unpräzise sind die von den Deutschen selbst angefertigten Unterlagen, zu unvollständig wurden die sowjetischen Untersuchungsberichte ausgewertet, zu selten Zeitzeug:innen befragt.

Zu den in Belarus Ermordeten kommen noch einige Hundert Rom:nja, die nach Auschwitz oder in andere Konzentrationslager verschleppt und fast alle dort ermordet wurden.

Karte: Peter Palm, Berlin
Karte: Peter Palm, Berlin

Die größten waren das rückwärtige Heeresgebiet (unter Militärverwaltung) und das Generalkommissariat Weißruthenien, das wiederum einen Teil des Reichskommissariates Ostland darstellte.

Quelle: BArch B 162/936, Bl.
Quelle: BArch B 162/936, Bl.

Eine zentrale Anweisung aus Berlin, alle Rom:nja zu töten, ist nicht überliefert. Allerdings haben Wehrmachtsbefehlshaber ebenso wie die Zivilverwaltung bereits zu Beginn der Besetzung mehrfach die Ermordung der nomadisch lebenden Rom:nja angeordnet.

Der Wehrmachtsbefehlshaber in »Weißruthenien« verfügte am 10. Oktober 1941: »Zigeuner sind bei Aufgreifen sofort an Ort und Stelle zu erschießen.« Dieser Befehl wurde wenige Wochen später bekräftigt: »…wie in vorstehenden Befehlen angeordnet, müssen die Juden vom flachen Lande verschwinden und auch die Zigeuner vernichtet werden.« Nach Übergabe des westlichen Teils des besetzten Gebietes an die Zivilverwaltung bestätigte der neue »Reichskommissar für das Ostland«, Heinrich Lohse, »die im Lande umherirrenden Zigeuner« sollten »in der Behandlung den Juden gleichgestellt werden.«

Die ersten Morde durch die Einsatzgruppen (bestehend aus dem Sicherheitsdienst der SS und Polizeiangehörigen) sind für Spätsommer 1941 nachgewiesen. Aber auch Einheiten der Wehrmacht begannen im Herbst 1941 damit, Rom:nja zu erschießen oder sie den Einsatzgruppen zu überstellen.

Dem Historiker Martin Holler zufolge begann 1942 die systematische Vernichtung der Rom:nja, sowohl im Gebiet der Militärverwaltung als auch den »zivil« verwalteten Besatzungsgebieten.

Im Gebiet der Zivilverwaltung wurden die Morde in der Regel von der deutschen Gendarmerie durchgeführt, teilweise mit Hilfe »weißruthenischer« Polizeikräfte oder auch litauischer und lettischer Einheiten. In manchen Ortschaften wurden Rom:nja an den gleichen Orten umgebracht wie die jüdische Bevölkerung, meist nach dieser, manchmal vor ihr. Im Ghetto Gorodischtsche wurden rund 100 Rom:nja im gleichen Ghetto zusammen mit Jüdinnen und Juden eingesperrt. Im November 1941 wurden die Erwachsenen erschossen, die Kinder erschlagen.

Die Deutschen stellten die Rom:nja pauschal als Partisanenhelfer:innen, bezichtigten sie der Spionage oder bezeichneten sie als »unzuverlässige Elemente«. Der rassistische Charakter der Morde erweist sich allerdings schon dadurch, dass meist alle Mitglieder eines Tabors, selbst Kinder, erschossen wurden. Hingegen kam es vor, dass Angehörige mit slawischem Hintergrund verschont blieben.

Erinnerungen jüdischer Überlebender an ein Massaker an rund 100 Rom:nja in Glubokie, Dezember 1941

»Die Roma in der Umgebung litten genauso wie die Juden. Nicht für irgendwelche Vergehen, sondern einfach nur, weil sie Roma waren. Sie wurden ebenfalls Ende 1941 vernichtet. Die örtliche Polizei fand sie in der Umgebung, in den benachbarten Wäldern und Dörfern, brachte sie in die Stadt und tötete sie.

Im Dezember 1941 brachten sie eine Gruppe von 100 Roma. Vor der Erschießung wurden sie nackt ausgezogen und mussten eine Zeitlang in der bitteren Kälte stehen. Ihre Kinder wurden nackt aufs Eis gesetzt. Sie liefen blau an. Ihre Gesichter erfroren, so dass sie nicht weinen konnten. Sie wurden ganz steif vor Kälte. Die meisten starben schon bald. Andere Kinder hielten länger durch, aber das verlängerte nur ihre Schmerzen.

Die Eltern der Kinder, vor allem die Mütter, schrien und jammerten, sie flehten das Todeskommando an, die Kinder zu erschießen, damit sie nicht länger ansehen mussten, wie sie nackt im Schnee liegen und leiden. Nachdem die Deutschen sich daran erfreut hatten, ihre Opfer zu verspotten, trieben sie die Roma in den Wald. Sie waren nackt und mussten ihre gefrorenen, toten Kinder mit sich ziehen. Dort, an den offenen Gruben, befahlen die Mörder ihnen zu singen, zu tanzen, zu springen, zu klatschen usw. Während sie so auftraten, wurden sie mit Peitschen geschlagen…«

Quelle: The Destruction of Globokie (Hlybokaye, Belarus). Translation of Khurbn Glubok / Eds. M. and Z. Rajak, Former residents’ association in Argentina. – Buenos Aires, 1956

Zwangsarbeiterinnen
Einwohner der Stadt Glubokie bei der Zwangsarbeit Quelle: Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Minsk