Die rumänische Verantwortung am Holocaust:
Zwischen formaler Anerkennung und Ignoranz

Kurz nach Kriegsende und der Machtübernahme durch die kommunistische Partei geriet der Holocaust in Vergessenheit. Die rumänische Mitverantwortung wurde geleugnet und die Schuld wurde externalisiert: Die Deutschen wurden auch für die rumänischen Verbrechen verantwortlich gemacht. Nur sehr selten wurde erwähnt, dass es auch Rumänen gab, die Juden ermordeten, aber selbst dann wurden diese Rumänen bloß als „vereinzelte Elemente“, nicht repräsentativ für die rumänische Gesellschaft, dargestellt.

Nach dem Fall des Sozialismus (1989) wurde Ion Antonescu, der rumänische Diktator (1940-1944), hingerichtet 1946, moralisch rehabilitiert und als heldenhafter Kämpfer gegen den Kommunismus dargestellt. Straßen wurden nach ihm benannt, Statuen errichtet. Seine Verantwortung für den Holocaust in Rumänien wurde ignoriert. Dieser Kult um Antonescu hat leider viele Rumänen auf lange Sicht beeinflusst.

Nach zahlreichen politischen Skandalen wegen offener Leugnung des Holocaust wurde auf internationalen Druck hin 2003 eine Internationale Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien eingerichtet, unter Vorsitz des rumänischen Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel. Es wurde eindeutig festgestellt, dass auch Rumänien am Genozid an Juden und Roma beteiligt war. Zudem wurden Bildungsprogramme über den Holocaust vorgeschlagen. Antonescus Statuen wurden abgerissen, die Straßen wieder umbenannt.

Was den Schulunterricht angeht, wurde die rumänische Verantwortung für den Holocaust lange Zeit gar nicht thematisiert oder kleingeredet. Das hat sich erst seit 2003 allmählich geändert.

Auch in Chisinau: Propaganda für Ion Antonescu

Auch in Chisinau: Propaganda für Ion Antonescu

Umfragen zeigen, dass es vielen Rumänen noch schwer fällt, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Im Mai 2015 antworteten immer noch 69 Prozent der Bevölkerung, allein Deutschland sei für den Holocaust verantwortlich, lediglich 19 Prozent wiesen auch der Antonescu- Regierung Schuld zu. Rund die Hälfte der Bevölkerung sieht in Antonescu einen großen Patrioten, ein Drittel fordert seine Rehabilitierung.

Genozid an Roma bleibt verdrängt

Nach dem Krieg erhielten die aus Transnistrien zurückkehrenden Roma keine staatliche Hilfe. Sie wurden auch nicht als nationale Minderheit anerkannt. Sie durften sich nicht offiziell organisieren, und es bestand für sie keine Möglichkeit, öffentlich der eigenen Holocaust-Opfer zu gedenken. Es gab weder eine wissenschaftliche Forschung noch Interviews mit den Überlebenden.

Nach 1989 erhielten Roma zwar den Status als nationale Minderheit, zugleich wurden sie aber zum Sündenbock der gesellschaftlichen Probleme. Roma galten als die am meisten verhasste ethnische Gruppe Rumäniens, Anfang der 90er Jahren gab es gewalttätige Angriffe auf Roma Gemeinschaften mit Toten und Verletzten. Der Genozid an Roma blieb weitgehend unbekannt, auch wenn Historiker die ersten Interviews führten und Bücher und Artikel veröffentlichten. Seit 2009 erinnert ein zentrales Mahnmal in Bukarest an den Völkermord an Juden und Roma. Doch Roma wurden aus 400 Ortschaften Rumäniens deportiert – dort erinnert nichts daran. Ohne an die Bevölkerung gerichtete Bildungsprogramme bleiben die bisherigen Maßnahmen eine eher formelle, oberflächliche Anerkennung von oben, ohne positive Folgen für die Roma und die immer weniger werdenden Roma-Überlebenden. Noch heute denken nur 0,4 Prozent der Bevölkerung beim Stichwort Holocaust daran, dass auch Roma ermordet wurden.

Die Roma wurden für ihr konfisziertes Eigentum nie von den rumänischen Behörden entschädigt. Theoretisch steht den Überlebenden der Deportationen eine monatliche Beihilfe von derzeit rund 200 Lei (45 Euro) zu. Doch die Behörden verweigern diese Beihilfe häufig unter willkürlichen Vorwänden. Sie akzeptieren weder wissenschaftliche Gutachten noch Entscheidungen internationaler Entschädigungsfonds. Manche Ablehnungsgründe sind einfach nur absurd: So wurde in manchen Fällen die Beihilfe abgelehnt, weil die Überlebenden ihre Rückkehr aus dem Lager nicht dokumentieren konnten. So weigert sich der rumänische Staat bis heute, vielen Überlebenden zu helfen, obwohl er der Hauptverantwortliche für ihr Leiden ist.

Den Roma ist eine gusseiserne Skulptur aus zwei unterbrochenen, miteinander verhakten Ringen gewidmet. Das „Rad der Roma“ habe eine dynamische Expression, erinnernd an den langen Weg der Roma nach Europa.
Holocaust-Mahnmal im Zentrum von Bukarest, Rumänien. Den Roma ist eine gusseiserne Skulptur aus zwei unterbrochenen, miteinander verhakten Ringen gewidmet. Das „Rad der Roma“ habe eine dynamische Expression, erinnernd an den langen Weg der Roma nach Europa.
Holocaust-Mahnmal, Bukarest
Holocaust-Mahnmal, Bukarest