»Es gab überhaupt keine Güte mehr. Niemand verhielt sich menschlich.«

Ioan Brăilă – București, geb. 1937

Ioan Brăilă

wurde mit seiner Familie im Zug nach Transnistrien deportiert. Dort mussten sie Zwangsarbeit leisten, auch die Kinder. Aufgrund der elenden Zustände gab es eine Flecktyphusepidemie an der sehr viele starben. Vor der Deportation kamen der Bürgermeister, ein Notar und andere Beamte zu ihnen und haben alle beweglichen und unbeweglichen Güter aufgeschrieben und ein Protokoll unterzeichnet. Als die Überlebenden zurückkehrten, wurden sie beim Bürgermeisteramt vorstellig, auf Grundlage dieses Protokolls bekamen sie zurück was noch aufzufinden war. Bewegliche Güter waren aber nicht mehr zu finden. Und im Haus war gar nichts mehr, das war leer.

Ioan Brăilă
Ioan Brăilă

„Bei der Deportation wurden wir von der Gendarmerie umstellt, und niemand durfte sich nähern. Die Nachbarn hatten keine Möglichkeit, einzugreifen. Dann sind wir auf einen Zug geladen und nach Transnistrien geschickt worden.“

Wir wurden in Zwangsarbeit gesteckt, ohne bezahlt zu werden, ohne menschenwürdige Unterkunft. Sie haben uns in den Ställen der Kolchosen untergebracht. Dort hielten sie uns fest. Wir wurden nur als Arbeitstiere behandelt. Es gab keine Hygiene. Wir waren voller Läuse. Wir waren ungewaschen, ohne medizinische Hilfe, ohne Lebensmittel, ohne Salz und ohne Seife.

Wir bekamen dort 100 Gramm Maismehl pro Person und Tag. Wir haben es mit Wasser vermischt und wie eine Art Fladen zubereitet. Ansonsten aßen wir, was die Tiere übrig ließen. Wir fanden in der Umgebung der Kolchose Maiskörner und sammelten sie ein. Wie die Tiere.

Es gab dort sehr gefährliche Winter mit einem starken, kalten Wind. Unsere einzige Wärmequelle – denn in der Gegend gab es keine Wälder, es war wie bei uns, im Baragan, nur ebenes Gelände – waren Steppenroller, so ein Unkraut, das dort wächst. Wenn das vertrocknet war, wehte es der Wind heran, wir sammelten es ein und machten damit Feuer. Es war unsere einzige Möglichkeit, uns zu wärmen und zu kochen.

Die Leute hatten nicht einmal mehr Kleidung. Das, was sie bei ihrer Abreise trugen, war abgetragen, kaputt, so dass sie nackt blieben, barfuß und ungewaschen. Nach drei bis vier Monaten brach dort wegen der elenden Zustände und des Lebensmittelmangels eine Flecktyphusepidemie aus. Das war eine gefährliche, ansteckende Krankheit.

Und die Leute starben. Wenn die Gendarmen kamen, um sie zur Arbeit auf dem Feld abzuholen, kamen sie und holten auch gleich die Toten ab, die sie fanden. Sie warfen sie auf den Karren und brachten sie bis zu den Gräben.

Morgens kamen die Gendarmen. Mit dem Knüppel trieben sie alle, die gesünder waren, zur Arbeit hinaus. Die anderen mussten dort alle möglichen Feldarbeiten machen. Wir, die kleineren Kinder, mussten leichtere Arbeiten verrichten. Wir mussten die leeren Säcke bringen, damit sie verladen wurden. Wir mussten auch in den Ställen beim Saubermachen helfen. Das waren Tätigkeiten, die wir als Kinder leisten konnten.

Für den Rückweg bis nach Bessarabien haben wir über einen Monat gebraucht. Weil viele Bombenangriffe geflogen wurden und wir keinen Zug hatten, mit dem wir fahren konnten. Wir haben uns ohne Essen, Nahrung, ohne alles, durchgeschlagen. Es gab ja niemanden mehr, der uns noch die 100 Gramm an Rationen geben konnte. In Bessarabien dann gab es wieder Rumänen, die uns hin und wieder etwas zu essen brachten. Das waren die Einwohner von Dörfern in der Gegend um Kischinau.

Als wir deportiert worden waren, kamen der Bürgermeister, ein Notar und andere Beamte. Sie haben alle unsere beweglichen und unbeweglichen Güter aufgeschrieben und ein Protokoll unterzeichnet. Und als wir zurückkehrten, sind wir beim Bürgermeisteramt vorstellig geworden, und auf Grundlage dieses Protokolls ist uns das, was noch aufzufinden war, zurückgegeben worden. Bewegliche Güter waren aber nicht mehr zu finden. Und im Haus war gar nichts mehr, das war leer.

Ioan Brăilă Dokument

Die Situation auf der Farm Sucha Balka blieb prekär, wie dieses weitere Schreiben von Stan Ion vom 11. März 1944 zeigt:


„Wir sind Arbeiter, von Beruf Kammmacher. Weil angeordnet wurde, unsere Genehmigungen zum Verkauf von Kämmen aufzuheben und wir derzeit kein anderes Einkommen haben, um uns die notwendige Nahrung und Kleidung besorgen zu können, möchten wir Sie bitten zu verfügen, uns eine Ihrer Güte überlassene Anzahl Genehmigungen ausstellen zu lassen. Seit vier Monaten haben wir nichts von der Farm oder dem Staat bekommen, sondern leben ausschließlich von unserer Arbeit und dem Einkommen, das wir durch den Verkauf der Kämme erzielen.“

Karte des Wegs der Deportation Ioan Brăilă
Weg der Deportation Ioan Brăilă
Ioan Brăilă
Ioan Brăilă am Holocaust Mahnmal in Bukarest
Ioan Brăilă
Ioan Brăilă im Gespräch
Ioan Brăilă
Ioan Brăilă im Gespräch
Roma Mahnmal, teil des Holocaust Mahnmal in Bukarest
Roma Mahnmal, teil des Holocaust Mahnmal in Bukarest