»Wir aßen die Kartoffeln immer in Eile damit kein anderer sie isst.«
Hristache Toma – Drăgăşani, geb. 1927
Zeitzeug:innen
Hintergründe
Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze
Projekt
Hristache Toma
Die Familie von Hristache Toma lebte bis zur Deportation in Zelten die warm und dicht waren. Aus ihrem Dorf wurden 60 bis 70 Familien deportiert. In Transnistrien kamen sie in ein Lager und ihnen wurden alle ihre Habseligkeiten weggenommen. Sie mussten Hungern und Zwangsarbeit leisten.
Vor dem Krieg haben wir in Zelten gewohnt, sommers wie winters. Im Winter haben wir es von außen mit Maiskolben gebaut und im Inneren mit Stroh. Das Zelt war aus Ziegenhaar, und auch wenn es geregnet hat, drang kein Wasser ein. Es war gut, damals im Zelt, wir waren daran gewöhnt. Wir wissen noch, was für eine Luft im Zelt ist, was für eine Wärme. Es war ein gutes Leben. Aber wenn die Rumänen kamen, sagten sie, oje, die Armen, schau sie dir an, wie sie im Zelt leben. Da sterben die Kinder doch vor Kälte. Dann kommt doch ins Zelt, habe ich gesagt, und seht, wie wir vor Kälte sterben.
Es wurden alle geholt aus unserem Dorf. Es war ein langer Konvoi von 60 bis 70 Familien. Sieben Monate haben wir für den Weg gebraucht, mit den Pferden und den Karren. In Transnistrien kamen wir in ein Lager, auf einer großen Fläche, und rundherum war ein Draht gespannt, drei Meter hoch. Wir durften nicht näher als fünf bis zehn Meter an den Draht herangehen.
Und dann kamen sie und nahmen uns die Pferde und die Karren weg. Alles Gepäck, was noch in den Karren war, haben sie mitgenommen. So haben wir alles verloren, was wir hatten. Ich hatte vom Vater und vom Großvater Sachen geerbt. Und dort waren sie im Karren. Darin hatten wir auch unsere Töpfer, unsere Eimer und Behälter. Auch was wir an Geld und Gold gespart hatten, war darin. Aber wenn Du losgegangen bist, um die Karre zurückzuholen oder was darin zu suchen, haben dich die Wärter erschossen. Als ich mir Stroh genommen habe, bin ich vom Aufseher geschlagen worden. Er schlug uns mit der Peitsche.
Wir haben ein halbes Kilo Maismehl für jeden aus der Familie bekommen. Damit konnten wir Mamaliga machen (eine Art Polenta). Aber es gab kein Salz. Wie sollst du ungesalzenes Mamaliga essen, die ganze Zeit? Einmal, zweimal, ja, aber immer isst du das nicht. Aber dieses halbe Kilo war unsere Ration für die ganze Woche. Fleisch gab es überhaupt nicht. Wer hat dort schon Fleisch gesehen… Gekochte Kartoffeln gab es manchmal, und ein paar Bohnen. Wir haben die Kartoffeln aus der Erde gezogen, und aus dem Kraut machten wir Feuer. Wir aßen sie mit Schale, wir aßen sie ohne Schale, und immer aßen wir sie in Eile, damit kein anderer sie isst.
Wir wurden morgens aus dem Schlaf geweckt, vor der Morgendämmerung. Ich war damals 17, 18 Jahre alt und der Anführer unserer Gruppe von 30 Leuten. Die über mir haben aufgepasst, dass ich die anderen wecke. Und die fingen an, mit Erdklumpen nach mir zu werfen, denn der Gruppenführer muss geschlagen werden, weil er die anderen nachts zum Arbeiten holt. Wir wurden aufs Feld gebracht, um Kartoffeln zu ernten.
Wenn jemand an Typhus erkrankt ist, wurde er nicht mehr gesund, nur ganz selten. Da rannte einer vor dem anderen weg, um sich nicht anzustecken. Aber wohin er auch rannte, er kam an und starb. Mancher starb, weil er auf einen Blindgänger stieß, der im Gras lag. Sie glaubten, dass dort Messing ist, die roten Spitzen von den Blindgängern. Sie schlugen sich gegenseitig darum, und wenn es explodierte, dann flog die Hand 20 Meter hoch in die Luft.
Als wir auf dem Rückweg waren, brach der Winter ein. Jede Nacht kam der Schneesturm, jede Nacht starben 200 bis 300 Menschen vor Kälte. Über den Dnister gab es eine Brücke, mit einem Zoll. Wir gingen heimlich hinüber, immer nachts. Du musstest dem Zöllner einen Goldtaler geben, um hinüberzukommen.
Wo wir damals gelebt haben, ist jetzt nur Wald. Es war Wald, als die Roma hingebracht wurden. Sie haben dort als Holzfäller gearbeitet. Und jetzt gibt es dort wieder den Wald. Ich würde gerne einmal dort hinfahren und ein Denkmal errichten.