Der Genozid an rumänischen Rom:nja 1942-1944

In den 1930er Jahren begannen einige rumänische Intellektuelle und rechtsextreme Politiker damit, von der „Reinheit des rumänischen Blutes“, von angeblicher Gefahr durch „minderwertige Rassen“ usw. zu reden. Sie übernahmen rassistische Vorstellungen von Biopolitik und Eugenik, wie sie im Deutschen Reich bereits umgesetzt wurden.

Der rumänische Diktator Ion Antonescu (1946 hingerichtet) besucht kurz vor dem Überfall auf die Sowjetunion Adolf Hitler. München, 10.06.1941

Der rumänische Diktator Ion Antonescu (1946 hingerichtet) besucht kurz vor dem Überfall auf die Sowjetunion Adolf Hitler. München, 10.06.1941

Zu den wichtigsten Vertretern dieser Politik gehörte Sabin Manuila, Direktor des Zentralinstituts für Statistik, der schon 1940 „effiziente Lösungen“ forderte, „um die Gefahr des zigeunerischen Rasseneinflusses zu bekämpfen“. Manuila pläderte im Oktober 1941 in einem Memorandum an Marschall Ion Antonescu dafür, Juden und Roma zwangsauszusiedeln. Mit dem Beginn der Antonescu-Diktatur und der weiteren Annäherung an Nazi-Deutschland wurde dieses Ziel eines „ethnisch homogenen“ Großrumäniens zur Staatspolitik. Anders als in den Jahrzehnten davor wurden auch Rom:nja zum „rassischen“ Problem erklärt. Bereits im Februar 1941 forderte Ion Antonescu die Vertreibung von Rom:nja aus der Hauptstadt, um sie in Dörfern in Südostrumänien (Baragan) anzusiedeln. Die Eroberung Transnistriens bot ihm schließlich die Chance, die Rom:nja aus Rumänien zu vertreiben.

„gefährlich und unerwünscht“

Am 25. Mai 1942 führte die Polizei eine landesweite Volkszählung der Rom:nja durch und erstellte Namenslisten von Personen, die als „gefährlich und unerwünscht“ erklärt wurden. Das betraf zum einen pauschal sämtliche nomadisierenden Rom:nja, zum anderen sesshafte Rom:nja, die arbeitslos oder vorbestraft waren, kein Vermögen hatten oder sonst als „schädlich“ für die Gesellschaft galten. Diese Listen umfassten 9471 nomadisierende und 31.438 sesshafte Rom:nja. Grundsätzlich sollte die ganze Familie deportiert werden, auch wenn nur ein einziger Angehöriger zur „Gefahr für die öffentliche Ordnung“ erklärt wurde. Dass diese Willkürmaßnahmen den Charakter einer „ethnischen Säuberung“ hatten, zeigt sich schon darin, dass niemals erwogen wurde, auch „problematische“ Nicht-Rom:nja zu deportieren.

Aufstellung der rumänischen Gendarmerie über die nach Transnistrien „evakuierten“ Rom:nja.

Aufstellung der rumänischen Gendarmerie über die nach Transnistrien „evakuierten“ Rom:nja.

Die Deportationen begannen am 1. Juni 1942 mit den nomadisierenden Rom:nja, die meist mit ihren Pferdekarren nach Transnistrien eskortiert wurden. Dabei waren sie zum Teil monatelang unterwegs. Bis Oktober 1942 wurden 11.441 nomadisierende Rom:nja deportiert, also deutlich mehr als zuvor erfasst worden waren.

Im September 1942 wurden in einer zweiten Welle 13.176 sesshafte Rom:nja deportiert. Weitere Deportationen waren für später geplant; im Oktober 1942 stellte die rumänische Regierung aber bis auf wenige Ausnahmen die Deportationen ein. Diese Entscheidung wird meist als Reaktion auf die kritischer werdende militärische Lage gewertet.

Die Deportationen stellten eine staatliche Willkürmaßnahme dar, bei deren Umsetzung die Gendarmerie selbst die eigenen Vorgaben brach. Wenn Rom:nja, die abgeschoben werden sollten, nicht anwesend waren, griff die Gendarmerie teilweise einfach die nächstbesten, die sich nur von Verwandten verabschieden wollten. Häufig wurden auch die Familien von Männern deportiert, die gerade Kriegsdienst leisteten. Unter den Deportierten waren keineswegs nur Vorbestrafte oder Arbeitslose, sondern auch unbescholtene Bürger, die einer geregelten Arbeit nachgingen, Häuser, Betriebe und Land besaßen. Zudem schlossen sich manche Rom:nja „freiwillig“ den Deportationen an, weil sie den Gerüchten glaubten, man gebe ihnen Land und Vieh, oder weil sie nicht von ihren Familien getrennt werden wollten.

Ion Antonescu mit rumänischen Soldaten, Ukraine 1943
Ion Antonescu mit rumänischen Soldaten, Ukraine 1943
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Projektreise am östlichsten Punkt ihrer Fahrt: Bei Kosirka, am Bug. Wenn sich die überlebenden Rom:nja an ihre Deportation erinnern, sprechen sie meist nicht von „Transnistrien“, sondern vom Bug: „Wir gingen zum Bug“. Tatsächlich wurden die meisten Deportierten in die südöstlichen Teile Transnistriens gebracht, in die Nähe des Flusses, der die Grenze zum deutsch besetzten Teil der Ukraine markierte.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Projektreise am östlichsten Punkt ihrer Fahrt: Bei Kosirka, am Bug. Wenn sich die überlebenden Rom:nja an ihre Deportation erinnern, sprechen sie meist nicht von „Transnistrien“, sondern vom Bug:
„Wir gingen zum Bug“. Tatsächlich wurden die meisten Deportierten in die südöstlichen Teile Transnistriens gebracht, in die Nähe des Flusses, der die Grenze zum deutsch besetzten Teil der Ukraine markierte.