»Es gab überhaupt keine Güte mehr. Niemand verhielt sich menschlich.«

Constantin Brăilă – București, geb. 1931

Constantin Brăilă

Die ganze Familie von Constantin Brăilă wurde nach Transnistrien deportiert. Vor der Deportation hatten sie ein gutes Leben und besaßen 2 Häuser. Ihnen wurden Versprechungen gemacht, sie bekämen dort Häuser, Vieh und Land. Doch sie mussten hungern und im Stall schlafen. Schon im ersten Monat starben 6 Verwandte von Constantin Brăilă. Im Sommer 43 brach Flecktyphus aus und noch mehr Menschen starben.

Constantin Brăilă
Constantin Brăilă

Am 11. September 1942, um 6 Uhr morgens, kamen die Gendarmen. Wir wurden genötigt und bedroht. Sie haben uns alle in einen Lastkraftwagen geladen und uns am Rand der Stadt in eine verlassene Scheune gesperrt. Von dort ging es dann mit Viehwagen nach Transnistrien. Mitnehmen durften wir nichts. Außer dem, was wir in die Hand nehmen konnten, eine Jacke, ein paar Stiefel, Schuhe oder einen Kessel. Man hatte uns versprochen, dass man uns Häuser, Vieh und Land gibt.

Wir waren sechs Kinder, Vater, Mutter, Großmutter und noch zwei ihrer Töchter. Ich ging damals in die vierte Klasse. Mein Vater war Messingschmied. Er hat Waffen hergestellt und repariert, er hat Schlüssel für Schlösser gemacht, auch Kronleuchter für Kirchen. Wir lebten in der Stadt Alexandria und hatten dort zwei Häuser. Wir haben Steuern bezahlt.

Erst mussten wir bei der Ernte helfen. Ich musste Anhänger für den Traktor und die Pferdewagen mit Kartoffeln, Mais und Weizen beladen. Am Anfang haben wir in Rinderställen gelebt. Ohne Betten, ohne Licht, ohne Wärme. Wir haben solche Steppenroller gesammelt, um sie zu verbrennen und ein wenig Wärme zu bekommen.

Wir waren fast nackt, dazu die beißende Kälte, es gab keine Möglichkeit, sich zu wärmen, und von dem Essen, das wir hatten, wurden wir krank und starben. Schon in den ersten Wochen nach unserer Deportation sind meine Mutter, meine Schwester, mein kleinerer Bruder, mein Großvater, meine Großmutter und einer meiner Onkel gestorben. Innerhalb eines Monats sind sie alle dahingegangen.

Es gab ein paar Hundert Gramm Mehl am Tag, aber das war nicht rein. Es war mit Ähren vermischt. Im Sommer wurde im Kessel nur Schrotbrei zubereitet. Da wurde der Mais zerdrückt, dann wurde er gekocht, in den Kessel wurden 2 bis 3 Kilo Öl gegossen, das wurde gut verrührt und jeder bekam einen Schöpflöffel davon. Pro Person einen Schöpflöffel von diesem Schrotbrei. Und das, wo wir doch auf dem Feld arbeiten mussten. Wer satt wurde, wurde satt, wer nicht…

Im Winter wurden wir abgeholt und an den Bug gebracht. Dort hatten sie die Hälfte der Ukrainer aus ihren Häusern vertrieben und uns hineingesteckt. Aber auch dort haben wir sehr schlecht gelebt. Wir hatten überhaupt keine Hilfe.

Wir haben gegessen, was wir finden konnten. Kartoffeln, die nach der Ernte auf dem Feld liegen geblieben waren. Sie waren zwar etwas gefroren, aber wenn es einem schlecht geht, sind auch die gut. Wir haben sie gekocht und gegessen. Manchmal haben die ukrainischen Fischer die kleinen Fische am Ufer liegen lassen, die haben wir dann genommen.

Im Februar 1943 brach Flecktyphus aus. Jeden Abend wurden 10 bis 20 Leute krank und starben. Denn wir hatten auch kein Wasser. Wir mussten lange zu Fuß gehen, um ein Wasserloch zu finden, um etwas kochen zu können. Denn das Wasser des Bugs war sehr salzig. Es war zu nichts zu gebrauchen, nicht zum Brot backen, für rein gar nichts.

Auch die Deutschen waren sehr gefährlich. Wenn wir ihnen zu nahe kamen, schossen sie sofort mit ihren Maschinengewehren. Wie viele sie doch erschossen haben! Sehr viele Rom:nja wurden erschossen. Auch sehr viele Juden. Die Juden wurden in die von den Russen ausgehobenen Schützengräben gestellt und mit dem Maschinengewehr erschossen.

Es gab überhaupt keine Güte mehr. Niemand verhielt sich menschlich.

Die Kreisleitung Beresowka leitet das Schreiben von Stan Ion an das Direktorat für Arbeit beim Gouverneur von Transnistrien weiter und ergänzt, dass es den Roma im ganzen Kreis an Kleidung mangelt

Schreiben von Stan Ion, genannt Natala, „Oberhaupt der Rom:nja“ auf der Farm Sucha Balka, an den Gouverneur von Transnistrien. Auf dieser Farm waren zeitweise auch Constantin Brăilă und sein Bruder Ioan untergebracht.

„Wir bitten Sie, Herr Gouverneur, so freundlich zu sein und zu verfügen, dass eine Möglichkeit gefunden wird, uns zumindest mit dem Mindesten einzukleiden und uns für den Winter menschenwürdige Unterkünfte bereitzustellen, denn bereits jetzt ist es uns unmöglich, in den Hütten zu leben. Gleichzeitig möchte ich erwähnen, dass fast alle Männer hier ihren Militärdienst abgeleistet haben, an der Front waren und wir auch gegenwärtig Kinder an der Front haben, während ihre Familien hier sind.“
Schreiben von Stan Ion, genannt Natala, „Oberhaupt der Rom:nja“ auf der Farm Sucha Balka, an den Gouverneur von Transnistrien

Die Kreisleitung Beresowka leitet das Schreiben von Stan Ion an das Direktorat für Arbeit beim Gouverneur von Transnistrien weiter und ergänzt, dass es den Roma im ganzen Kreis an Kleidung mangelt.

„Wir haben die Ehre, Ihnen anbei das Gesuch des Oberhauptes der Rom:nja von der Farm Suha-Balca weiterzuleiten, durch welches er um Kleidung für 499 Rom:nja von der Farm bittet, denen es komplett an Bekleidung fehlt. Wir bitten Sie, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Nackten und Barfüßigen mit alter Kleidung und Schuhen zu Hilfe zu kommen. Gleichzeitig bitten wir Sie, auch die restlichen Rom:nja des Kreises zu bedenken, die sich in der gleichen Lage, ohne Kleidung, ohne Hemden und barfuß, befinden.“

Das Holocaust-Mahnmal im Zentrum von Bukarest
Das Holocaust-Mahnmal im Zentrum von Bukarest