»Man ging in den Waggon, sah nach, wer tot war, warf ihn raus und fuhr weiter.«
Nelja Wassiljewna Michajlowa – geb.1946
Zeitzeug:innen
Hintergründe
Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze
Projekt
Die Großmutter sowie die Mutter von Nelja Wassiljewna stammten aus der Stadt Welikije Luki, im Westen des heutigen Russlands. Sie wurden nach Eroberung des Gebietes durch die Deutschen gemeinsam mit zahlreichen anderen Menschen gewaltsam in das Gebiet des heutigen Belarus verbracht. Nelja Wassiljewna hat über die Umstände dieser Zwangsumsiedlung keine Informationen. Offenbar war es keine gezielte Aktion gegen Roma, sondern es waren Menschen verschiedener ethnischer Herkunft betroffen.
Der Transport habe mindestens zwei Wochen lang gedauert. Lediglich einmal gaben die Deutschen etwas zu essen. Jeden Tag hätten die Deutschen Leichen aus den Waggons geholt: „Man ging in den Waggon, sah nach, wer tot war, warf ihn raus und fuhr weiter.“ Die Großmutter von Nelja Wassiljewna hatte ein Neugeborenes mit sich, das praktisch nur mit Wasser gefüttert werden konnte, und wie durch ein Wunder überlebt habe.
An ihrem neuen Aufenthaltsort ging Nelja W.s Großmutter zwei Tätigkeiten nach:
Zum einen ging sie in die Dörfer und begann, Wahrsagerei zu betreiben. Dabei kam sie in Kontakt zu örtlichen Partisan:innen. Diese wiesen ihr Aufgaben zu: Sie sollte in die Häuser von Polizisten gehen, um deren Frauen unter dem Deckmantel der Wahrsagerei Informationen zu entlocken. „Und sie hat alles erfahren, gehört und aus den Frauen herausbekommen. Und sie hat alles den Partisanen erzählt.“ Das habe auch Informationen über Treffen wichtiger deutscher Militärs betroffen. „Und die Partisanen taten alles, damit sie alle in die Luft jagten.“
Einmal hätten die Partisan:innen dank dieser Informationen den gesamten regionalen Kommandostab der Deutschen vernichten können. Nelja Wassiljewna beschreibt ihre 1949Großmutter als tapfer und mutig. Einmal habe sie einen Korb voller Granaten getragen, um sie den Partisanen zu übergeben, und die Waffen mit Kartoffeln abgedeckt.
Zum anderen verdingte sich Neljas Großmutter als Wäscherin bei den Deutschen. Es ist nicht klar, ob diese wussten, dass ihre Wäscherin eine Romni ist. Sie hätten jedenfalls gestaunt, wie man weiße Wäsche mit den Händen und einem Stück Seife so gut reinigen konnte. Im Gegenzug erhielt Neljas Großmutter Lebensmittel und einen gewissen Schutz – beispielsweise konnte sie die geplante Deportation ihrer damals 13jährigen Tochter zur Zwangsarbeit abwenden.