»Wenn der Körper hell war, haben sie sie gehen lassen. Aber wenn die Haut schwarz war, dann hat man sie getötet, mal erschossen und mal lebend in die Grube geworfen.«
Maria Saweljewna Iwanowa geb. 1936
Zeitzeug:innen
Hintergründe
Rassismus gegen Rom:nja und Sinti:zze
Projekt
Maria Saweljewna Iwanowa
Maria Saweljewna gehört zu den wenigen Überlebenden des Massakers von Aleksandrowka, bei dem die Deutschen 1942 die Arbeiter:innen einer sog. Roma-Kolchose ermordeten. Sie überlebte dank einer hellen Hautfarbe und der Hilfe von Partisan:innen
Maria Saweljewna lebte mit ihrer Familie im Dorf Alexandrowka (bei Smolensk). Ihre Eltern arbeiteten als Melkerin bzw. Vorarbeiter in der Kolchose „Stalins Verfassung“, in der mehrheitlich Roma beschäftigt waren.
Im April 1942 führten Einheiten der SS die Roma der Kolchose aus ihren Häusern zur Erschießung. Maria Saweljewna erinnert sich daran, dass ihnen dabei ein ortsansässiger Polizist geholfen hat, dessen Namen sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen hat. „Wir lebten gut nebeneinander und waren als Familien befreundet. Und warum hat er das getan? Ich weiß es nicht … Gott verdamme ihn … er hat viele Familien umgebracht.“
Auch den Weg zur Erschießungsstätte hat Maria Saweljewna noch in Erinnerung. „Es war Schlamm, es war Frühling, in meinen Gummistiefeln.“ Als sie einen der Stiefel verlor und stehenblieb, ging ein Deutscher auf sie los: „Er schlug mich mit einer Peitsche.“
Die Deutschen ließen die Roma mehrere Gruben ausheben, für Frauen und Männer. Die Tante von Maria S., die etwas Deutsch konnte, ging zu den Deutschen und behauptete, dass sie und ihre Schwester keine Roma seien, sondern Russen. „Sie küsste ihre Hände, sie flehte sie an, uns gehen zu lassen“
Die Deutschen hätten den Betreffenden befohlen, sich auszuziehen. Wer eine helle Hautfarbe hatte, wurde unter Umständen verschont – so wie die Tante und Mutter von Maria S. sowie ihre Geschwister: „Wenn der Körper hell war, haben sie sie gehen lassen. Aber wenn die Haut schwarz war, dann hat man sie getötet, mal erschossen und mal lebend in die Grube geworfen.“
Auch ihr Vater hatte eine helle Hautfarbe. Maria S. berichtet, die Deutschen hätten ihn bereits gehen lassen. Nachdem jedoch dessen Bruder (mit dunklerer Haut) bereits lebend in die Grube geworfen worden war, reichte der Vater ihm die Hand, um ihm herauszuhelfen („gib mir deine Hand, hol mich raus“), und wurde daraufhin von den Deutschen ebenfalls in die Grube gestoßen. Er überlebte nicht.
Bis zur Befreiung der Region durch die Rote Armee im Herbst 1943 lebte Maria S. mit ihrer Mutter im Wald und wurde dort von Partisan:innen unterstützt. Sie erinnert sich, dort Lebensmittel erhalten zu haben. „Wenn es die Partisanen nicht gegeben hätte, wären wir natürlich verhungert.“ Eine Frau aus der Kolchose sei gekommen, um Milch für die Kinder zu bringen. Maria S. erinnert sich daran, dass mindestens 10 bis 15 weitere Roma im Wald überlebten, darunter auch Kinder. Diese hätten aber niemals gespielt: „Wir hatten Angst, wir klammerten uns an unsere Mutter. Von welchem Spielen konnte die Rede sein? Wir waren zu keinen Spielen aufgelegt. Es war wie ein Blitz. Kampf, Feuer, Schreie, Stöhnen, Ächzen… es war Horror.“
Bei ihrer Rückkehr in die Kolchose musste die knapp Siebenjährige neben der Schule arbeiten. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter kümmerte sich Maria S. um ihre beiden jüngeren Geschwister, so dass sie nur die fünfte Klasse absolvieren konnte.